Beim Interkulturellen Ladies Lunch (IKLL) Mitte November 2024 waren bei Barbara Regitz zwei „Alltagsheldinnen“ zu Gast, die am 9. November 1989 in der DDR lebten.
Der 9. November 1989 war ein historischer Tag in der jüngeren deutschen Geschichte, der sich heuer zum 35. Mal jährte: der Mauerfall. Jeder von uns hat die Bilder und die vielen Emotionen von damals noch vor Augen. Aus diesem Anlass hatte die ehemalige Landtagsabgeordnete Barbara Regitz zum IKLL im November Silvia Beyer und Heike Busch zu einem Gespräch eingeladen.
„Wir Frauen haben eine besonders wichtige Rolle für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Wir bringen individuelle Erfahrungen ein, den weiblichen Blick auf Bildung und Vielfalt und wir sind Vorbilder für ein gedeihliches Miteinander in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, in Kirchengemeinden, Vereinen oder Verbänden. So wollen wir uns wieder zum IKLL treffen und uns als Interkulturelle Frauengruppe austauschen, um uns kennen zu lernen oder Kontakte zu pflegen“, so Regitz zu Beginn ihrer Rede. Sie stellte die beiden Damen den zahlreichen Frauen, die ihrer Einladung gefolgt waren, vor. Silvia Beyer wurde 1945 im Harz geboren, lebte lange als Krankenschwester mit Mann und zwei Söhnen in Halle an der Saale. Heike Busch, geboren 1977 in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz), wuchs nach dem frühen Tod der Mutter bei Vater und Großmutter auf; ihr älterer Bruder hatte einen Ausreiseantrag gestellt und lebte bereits im Westen. Mit 18 Jahren kam sie nach Franken, machte hier eine Ausbildung und ist nun Augenoptikmeisterin.
Der Mauerfall vor 35 Jahren
Die Initiatorin des IKLL Barbara Regitz schilderte kurz die politische Situation im Spätsommer und Herbst 1989 in Ungarn, Prag und der ehemaligen DDR. Die friedlichen Montagsdemonstrationen in Leipzig, die mit ein paar tausend Menschen begannen, wurden unter dem Motto „Wir sind das Volk“ zu riesigen Demonstrationen: Am 30.Oktober nahmen ca. 300.000 Menschen teil. „Gebannt saßen wir jeden Abend vor dem Fernseher. Jeder hatte beispielsweise den 17. Juni 1953 noch vor Augen, der gewaltsam von den Russen und der SED-Führung niedergeschlagen wurde“ erinnerte sich Regitz. Eine kurze Notiz brachte am 9. November 1989 dann die Mauer zum Einsturz: Mit den epochalen Worten „ab sofort … unverzüglich …“ verkündete Politbüromitglied Günter Schabowski in seiner konfusen Erläuterung die neuen DDR-Reiseregelungen. Das Ende der deutschen Teilung war eingeläutet.
„Wie haben Silvia Beyer und Heike Busch vom Mauerfall erfahren“, fragte die Gastgeberin. Silvia Bayer riefen Freunde an und erzählten ihr, dass die Grenzen offen seien. Erst waren alle überrascht, dann schalteten sie den Fernseher ein und später rief auch ihr Mann an, der seit zwei Jahren im Westen lebte. Anlässlich einer Geburtstagsfeier seines Patenonkels war ihr Mann, ein Kinderchirurg, „abgesprochen“ nicht in die DDR zurückgekehrt. Als Frau Beyer das der interessierten Runde erzählte, zitterte ihre Stimme – ein Zeichen für die tiefen Emotionen von damals. Heike Busch war damals ein Teenager, hörte die Nachrichten im Fernsehen und sagte, dass sie am nächsten Tag nur noch gefeiert hatten.
Doch wie ging es nach dem Mauerfall weiter? Wann beschlossen die beiden, in den Westen zu gehen? Für Frau Beyer war es selbstverständlich, dass sie mit ihren Söhnen (damals 20 und 16 Jahre alt) zu ihrem Mann nachkam. Der Anfang war schwierig, sie hatten sich zwei Jahre nicht gesehen. Und das Gefühl, zu Hause angekommen zu sein, war nicht da. Auch bei der Arbeit musste sie sich immer wieder beweisen und so manchem Spott trotzen, aber sie ließ sich nicht unterkriegen. Mit 18 Jahren beschloss Frau Busch, in den Westen zu gehen, wo bereits ein Bruder lebte. Am Anfang war es auch für sie sehr schwer: Sie musste neue Freunde finden, eine Ausbildung machen und vor allem eine Wohnung organisieren, ohne den Rückhalt der Familie. Die Option, wieder zurückzugehen, kam ihr auch kurz in den Sinn, aber sie sah in der ehemaligen DDR keine Perspektive für ihre Zukunft. Auch die Besuche in der alten Heimat waren nicht einfach, denn in den Augen einiger Zurückgebliebenen waren die beiden Frauen zu „Wessis“ geworden.
„Zwei ganz mutige Frauen, echte Alltagsheldinnen, haben uns heute von ihren Erlebnissen, Erfahrungen und Gefühlen erzählt – verschiedene Generationen mit verschiedenen Erfahrungen. Für uns im Westen hatte sich der Alltag – abgesehen von den hellblauen Trabanten im Straßenbild – kaum verändert, obwohl allein in den Jahren von 1989 bis 1991 10.507 Menschen aus der ehemaligen DDR nach Nürnberg und Fürth zogen“, so Barbara Regitz. Viele von uns haben die Zeit und vor allem den 9. November klar vor Augen. Bis zur tatsächlichen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 war noch ein langer Weg vor uns. Und eine hochspannende politische Zeit“, so die langjährige Politikerin.
Um weitere Erinnerungen auszutauschen, gibt es eine Fortsetzung des Themas am 3. Februar 2025, dann auch aus der Sicht derer, die im Westen gelebt haben.
Barbara Regitz verabschiedete Silvia Beyer und Heike Busch mit dem Kinderbuch „Fritzi war dabei – Eine Wendewundergeschichte“, ein kleines Geschenk für deren Kinder und Enkelkinder.