„So vielfältig und unterschiedlich die Lebenssituationen von Seniorinnen und Senioren sind, so mannigfaltig sind deren Anliegen: Von Altersarmut über Mitwirkung bis hin zur Pflege. Überall setzt Seniorenpolitik an und das macht sie so inspirierend.
In diesem Beitrag und in den kommenden Wochen möchte ich mich auf das Thema Digitalisierung fokussieren. Längst sind die Senioren digital unterwegs. Die Nutzer Ü65 oder charmant „Silver-Surfer“ genannt verwenden das Internet vorwiegend für praktische Dinge im Alltag. Aber Senioren können auch Lernende und Lehrende sein“, so Barbara Regitz, MdL und seniorenpolitische Sprecherin der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag.
Mit Hilfe des Internets geht vieles schneller, kostengünstiger und, ohne aus dem Haus gehen zu müssen, auch bequemer: Vorwiegend verwenden die Senioren das Internet als Kommunikationsmittel, um E-Mails zu schreiben und zu empfangen. Erledigungen von zuhause aus wie Online-Banking erleichtern Zahlungen und Überweisungen. Über die Hälfte der Senioren tippt Kurznachrichten über SMS oder WhatsApp und freut sich über einen Facetime-Anruf oder den digitalen Blick in die Augen des Gegenübers. Auch Kultur und Weiterbildung funktionieren sehr gut in der Online-Welt.
Corona hat uns vor Augen geführt, wie wichtig enge soziale Kontakte für uns Menschen sind und wie belastend wir deshalb Kontaktbeschränkungen und Abstand halten empfinden. Es hat aber auch gezeigt, dass sich gerade mit Hilfe der Technik und der Digitalisierung viele Chancen ergeben. Wie könnte ohne Telefon, E-Mail oder Videokonferenzen überhaupt ein Unterricht, eine Vorlesung, ein Austausch zwischen den Menschen stattfinden?
Die Möglichkeiten, die sich mittels der Digitalisierung ergeben, sind nicht mehr wegzudenken und werden bleiben. Deshalb will ich das Thema näher beleuchten. Wichtig ist mir dabei, den Fokus auf die Senioren zu legen. Den Noch-Skeptikern möchte ich sagen: Keine Angst vor Digitalisierung! Den Silver-Surfern will ich ihre wichtige Rolle als Multiplikatoren und Vorbilder im Dialog der Generationen aufzeigen.
Politik schafft Voraussetzungen
Jede Veränderung fällt am Anfang nicht so leicht, wird hinterfragt, erfordert Mut. Im Bereich der Digitalisierung ist die Gemengelage auch komplex. Da geht es um Zugang ins Netz, um Geräte, also um Ausgaben und Kosten. Da geht es um das sichere Handling wie beim „Auto fahren“ sicher, bequem und zuverlässig ans Ziel kommen und um Datenschutz, also um Sorgen und Ängste.
Digitalisierung braucht die Politik, denn sie stellt die Weichen. Neben den technischen Voraussetzungen in der Versorgung geht es auch um finanzielle Unterstützung, um alle mit auf den Weg zu nehmen. Digitalisierung ist somit auch eine soziale Frage.
In dem Maße, in dem die Digitalisierung in allen Lebensbereichen voranschreitet, müssen die Rechte und Pflichten der Bürgerinnen und Bürger weiterentwickelt werden. Dafür gibt es das Bayerische Digitalgesetz und deshalb ist Digitalisierung eine Querschnittsaufgabe.
Was nützen Forschung und Wissenschaft dem Menschen?
Immer wieder ist zu lesen, dass Bayern seine Spitzenforschung kraftvoll ausbaut und dabei Künstliche Intelligenz (KI) zur bayerischen Schlüsseltechnologie macht. Dabei dienen z.B. eine KI-gestützte Automobilproduktion und autonomes Fahren nicht nur dem Wirtschaftsstandort Bayern in der Zukunft, sondern auch und gerade den Menschen, genauso wie ein bayernweites Krebsforschungszentrum, ein digitaler OP-Saal für Kardiologie am Deutschen Herzzentrum München oder die Healthcare-Robotik. Mit der Diskussion um Pflegemangel wurden und werden neue technologische Entwicklungen im Bereich der Robotik etabliert. Dabei stellt sich die Frage, wie kann Robotik Pflegekräfte unterstützen? Digitale Kompetenzen gehören in die Aus-, Fort- und Weiterbildung. Da über die praktische Tätigkeit hinaus gerade in der Pflege Interaktion zwischen den Menschen besteht und Zuversicht und Lebensmut, auch Begleitung am Lebensende bedeutet, ist ein ganzheitlicher Ansatz nötig, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Ein Wort an die Silver-Surferinnen
Die Altersgruppe der Ü80, die das Internet nutzt, liegt bei rund 40% Frauen, während sie insgesamt in dieser Altersgruppe zwei Drittel der älteren Bevölkerung ausmachen. Immer wieder werden als Gründe traditionelle Rollenbilder, Berufsbiografien und mangelnde finanzielle Ressourcen genannt.
Gibt es einen speziellen Grund, warum Frauen den Umgang mit Handy und Computer dem Lebenspartner und Ehemann überlassen? Was haben Frauen nicht schon alles in ihrem Leben gelernt! Auto fahren, Waschmaschine bedienen? Auch der Umgang mit dem PC braucht Übung, ist aber nicht schwieriger.
Kulturelle Bildung als „Anti-Aging“ fürs Gehirn
Die längste Zeit im Leben ist normalerweise nach der Schule, dem Studium oder der Ausbildung. Für viele ist daher lebenslanges Lernen angesagt.
Die Einrichtungen der Erwachsenenbildung bieten in der Corona-Pandemie passgenaue Online-Angebote. Mein Wunsch lautet daher: Dranbleiben! Lernen (fortsetzen) macht Spaß und Freude zählt bekanntlich mit zum besten Gehirnjogging.
Wenn wir Kultur gerade – noch – nicht live erleben können, bieten sich digitale Angebote geradezu an. Auch wenn bei der Theateraufführung oder dem Konzert das Gemeinschaftserlebnis den Reiz ausmacht, helfen digitale Angebote, „Kultur vom Sofa aus“, ganz einfach zu genießen und das oft völlig kostenfrei. Wie wäre es z.B. mit einem Besuch im digitalen Fundus des Staatstheaters Nürnberg? Ohne Kultur wären wir ärmer. Denn Kultur unterhält, sie regt zum Nachdenken an, bildet, vertreibt Ängste sowie Sorgen und lenkt ab.
Wie kann mit Hilfe von Digitalisierung der „Dialog der Generationen“ gefördert werden?
Wichtig ist nicht das Alter im Ausweis, sondern im Kopf. Welche Rolle können Seniorinnen und Senioren in unserer Gesellschaft einnehmen?
Eine Vorbildrolle kommt ihnen in der politischen Bildung zu: Stolz sein auf Erreichtes, über 70 Jahre Frieden. Das kommt nicht von ungefähr.
Wer eigene Werte kennt wie Meinungsfreiheit, Achtung vor dem Anderen, wer mit Vorbild erzogen wird, wer Argumente und Gegenargumente austauschen gelernt hat, wer Stopp sagen, bis hierher und nicht weiter und mit Mut und Zivilcourage Nein sagen kann, lebt Demokratie. Senioren können „Anschubhilfe“ von außen geben. Als Zeitzeugen ihre Erinnerungen aufnehmen, über Videoforen abspielen und an Diskussionen teilnehmen. Ich appelliere an Sie: Reden Sie mit unserer Jugend, sonst tun es andere! Und nutzen Sie dabei die Formen der Digitalisierung.
Das geht auch als praktische Lebenshilfe! Statt Babysitter vor Ort, sich über Videoschalte austauschen, Wörter abfragen und Hausaufgaben kontrollieren: Das bedeutet, sich nützlich zu machen und gebraucht zu werden.
Für Neueinisteiger ist es hilfreich ein Netzwerk zu haben, bei dem man immer wieder seine Nach-Fragen stellen kann. Ein kleines Beispiel: Ein netter junger Mann nahm einige Damen unter seine Fittiche und im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe ist die User-Community jetzt angewachsen.
„Auf die Senioren kommt es mehr denn je an!“
Jeder Vierte in Bayern gehört zum Kreis der Senioren. Nur mit den Senioren ist deshalb „Staat zu machen“. Alle Damen und Herren dieser Generation für Digitalisierung zu begeistern, ist die Aufgabe unserer Zeit.
Digitalisierung begleitet unsere Gegenwart und wird auch in der Zukunft, in der Arbeitswelt und im gesellschaftlichen Leben nicht mehr wegzudenken sein. Dazu braucht es vielfältige öffentliche Angebote zur Teilhabe, Unterstützung für Menschen mit schmalem Geldbeutel und natürlich eine flächendeckende Internetversorgung.
Aber auch wir können mitwirken: Je mehr wir selbst mit Interesse an die Technik herangehen, umso mehr können wir diese schier unerschöpflichen Möglichkeiten nutzen, sind Vorbilder für lebenslanges Lernen und schärfen das Bewusstsein in unserer Gesellschaft für Digitalisierung.
Der Artikel erschien im April 2021 in den LSVB-Nachrichten 1/2021.
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