2. Januar 1945: Als vor 80 Jahren die Nürnberger Altstadt unterging.

„Gedenktage sind wichtige Stationen im Ablauf der Zeit. Sie bieten Gelegenheit, um innezuhalten und der Anfänge zu gedenken, damit man die Gegenwart nicht für selbstverständlich hält“, beschreibt Barbara Regitz ihr Anliegen, die Erinnerung wachzuhalten.

Der 2. Januar 1945: ein „moral bombing“

1940 erfolgte der erste Bombenangriff auf das Reichsparteitagsgelände. Zwei Jahre später hatte der Krieg Nürnbergs Stadtgebiet erreicht. Ab dem 29. August 1942 begann die Serie mit schweren Treffern im Stadtgebiet. Von nun an gab es immer wieder Fliegeralarme. Diese sollten vor allem Angst und Schrecken verbreiten und den Lebensmut der Zivilbevölkerung zermürben. Die Attacken auf Nürnberg während des Zweiten Weltkriegs forderten rund 6.000 Opfer, die Einwohnerzahl sank unter die Hälfte (1939: 423.383 Einwohner – 1945 April/Mai: 196.270 Einwohner), gut 60% der Wohnungen wurden zerstört und über 90% der historischen Bausubstanz. Von dem unermesslichen Leid, das der Verlust geliebter Menschen mit sich brachte, ganz zu schweigen. Von den 28 Luftangriffen zwischen 1942 bis 1945 ging der vom 2. Januar 1945 als „moral bombing“ in die Geschichte ein.

Ist das Nürnbergs Altstadt oder doch eine Neu-Stadt?

„Ich kenne diese bittere Phase unserer Geschichte nur aus den Erzählungen meiner Eltern und anderer Zeitzeugen. Dass zum Beispiel die geliebte Schulfreundin und Banknachbarin nie mehr wieder neben meiner Mutter saß oder dass der Feuerschein noch bis ins 50 km entfernte Heideck zu sehen war. Was blieb, war eine Trümmerwüste“, so die ehemalige Landtagsabgeordnete.

Ziele der Angriffe waren kriegswichtige Industrie und Infrastruktur, aber auch die Moral der Deutschen wie Zermürben des Kampfgeistes und Zerstören von Symbolkraft. Von Von traditionsreichen Symbolen und Wahrzeichen hatte Nürnberg reichlich: Die Stadtgeschichte, die urkundlich mit der darin erwähnten „love story“ im Jahr 1050 beginnt, die Pracht der Gotik, das Fachwerk-Ambiente und die Attribute „des Reiches Schatzkästlein“ oder „die deutscheste aller deutschen Städte“. Nürnberg war eine nie zuvor von Feinden eingenommene Stadt, der große Sohn der Stadt war der berühmte Künstler Albrecht Dürer, die 1. Deutsche Eisenbahn fuhr von Nürnberg nach Fürth, oder eben leider auch die Bedeutung als „Stadt der Reichsparteitage“.

Allein in der Nacht vom 2. Januar 1945 gelang es der Royal Air Force durch einen Großangriff, einen Flächenbrand im Stadtkern zu verursachen mit 1794 Toten, davon 869 Frauen und 173 unschuldige Kinder. Rund 100.000 Menschen wurden obdachlos und die Löscharbeiten dauerten bis zum 10. Januar 1945. Nürnberg wurde am 2. Januar 1945 bombardiert, „weil es im Vergleich mit anderen deutschen Städten gleicher Größe noch nicht so schwer zerstört ist.“ (Air Ministry Bulletin Nr. 16923 vom 3.1.45)

Und doch stehen wir hier, erfreuen uns an einer mit einer Stadtmauer geschlossenen Altstadt, an der Kaiserburg, deren Silhouette das Wahrzeichen unserer Stadt ist, an den beiden stadtbildprägenden Kirchen. Zahlreiche Touristinnen und Touristen, Nürnbergerinnen und Nürnberger erfreuen uns an Fachwerkhäusern, Chörlein, Auslegern, Hausfiguren, Reliefs an Hauswänden, kleinen Kostbarkeiten, die heute das Flair unserer Altstadt ausmachen.

Wie Kunstwerke gerettet wurden

Die Gefährlichkeit der militärischen Lage wurde frühzeitig erkannt, und es konnten zahlreiche, oft auch erfolgreiche Vorkehrungen zum Schutz getroffen werden:

Bewegliche Kunstwerke wurden ausgelagert oder in die Bunkeranlagen unterhalb der Burg in Sicherheit gebracht. Der bekannteste Kunstbunker in der Oberen Schmiedsgasse hat eine rund 24 Meter dicke Felsdecke, eine konstante Temperatur und gute Belüftung.

In den Kunstbunkern wurden unter anderem die Kirchenfenster der großen Altstadtkirchen eingelagert, der Englische Gruß in St. Lorenz, das berühmte Männlein Laufen, das heute täglich um 12 Uhr zu sehen ist, der Behaim Globus oder auch eines der wohl schönsten Beispiel von Renaissance-Brunnenkunst, der Gänsemännchenbrunnen von Pankraz Labenwolf.

Das Dürer Denkmal und der Schöne Brunnen wurden zugemauert. Die West-Fassade an der Frauenkirche wurde mit einer Schutzwand versehen. Unvorstellbar, wenn der Balkon unter dem Männlein Laufen zerstört worden wäre, auf dem das Christkind jährlich Millionen von Zuschauer in den Bann zieht!

Von fest verbauten Kunstwerken an Häuser Fassaden wurden Abdrücke erstellt, um möglicherweise ein Kunstwerk wieder nachbauen zu können.

Ein Wasserreservoir für die Feuerwehr zum Löschen von Bränden wurde im Stadtgraben oder in Teichen wie am Albrecht-Dürer-Denkmal vorgehalten.

Das Labyrinth der unterirdischen Tunnels unterhalb des Burgbergs diente als Luftschutzräume für die Zivilbevölkerung. Im Mittelalter hatten Menschen mit ihrer Muskelkraft Tunnel und Gewölbe geschlagen, unter anderem um Bier zu lagern. Diese Bunker retteten im Zweiten Weltkrieg vielen Menschen das Leben. Ganz wesentlich zum Erhalt der zerstörten und brennenden Gebäude war die Liebe zur Heimatstadt, der Mut unter Einsatz des eigenen Lebens und das beherzte Eingreifen der Bevölkerung. Das Dürerhaus beispielsweise verdankte das Löschen der Hausmeisterin Marie Falcke und deren Tochter Gertrud.

Der Wiederaufbau der Nürnberger Altstadt

Als der neu gewählte Stadtrat im Jahr 1947 die Entscheidung für den „Wiederaufbau“ traf, hatte die Bevölkerung große Sorgen. Die knappe Versorgungslage, Essen, Trinken, Heizen, die Trümmerbeseitigung, die Eingliederung der Flüchtlinge und Vertriebenen, die Behebung der Wohnungsnot, auch die Entnazifizierung, bestimmten den Alltag.

Ein Name, der beim Wiederaufbau nicht fehlen darf, ist Heinz Schmeißner. Der Architekt und spätere Baureferent verfolgte konsequent die Sanierung von Großbauten wie der Kaiserburg, der Kirchen St. Sebald und St. Lorenz und ein stadtbildschützendes Konzept für die Altstadt.

Die Altstadtfreunde e.V.

Die Folgen der bitteren Phase unserer Geschichte sind bis heute zu spüren. Tiefe Wunden wurden dem historischen Stadtbild zugefügt. Umso bedeutender ist deshalb das Vermächtnis, das uns hinterlassen wurde.

In den letzten 50 Jahren haben sich u.a. die Altstadtfreunde sehr verdient gemacht über den bloßen Erhalt attraktiver Bauwerke hinaus. Sie bringen sich als aktiver Verein immer wieder in die städtebauliche Planung ein. Etliche der sanierten Bauwerke, die restaurierten Fachwerke, Dacherker und Chörlein, die wieder angebrachten Hausfiguren, die aufgestellten Brunnen und die vielen Details, die unserer Altstadtbild prägen und zum Flair beitragen, gehen auf Vereinsinitiative zurück.

Impulse für die Zukunft

„Gedenktage sind wichtige Stationen im Ablauf der Zeit. Sie bieten Gelegenheit, um innezuhalten und der Anfänge zu gedenken, damit man die Gegenwart nicht für selbstverständlich hält. So würde ich mir wünschen, dass wir bei allen Diskussionen um Erhalt und Veränderung unserer Altstadt von dem Gedenktag 2. Januar Impulse auch für die Zukunft mitnehmen“, so Barbara Regitz.

Bilder privat 

 

 

 

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